Reiner Schiestl zu Karin Bauers Bildern

Totgesagte leben länger – das trifft zum Glück auch auf die Malerei zu, die trotz der provokanten Spruchweisheiten (Schwarzmalereien!) vieler Theoretiker lebendig geblieben ist. Die Überlebensstrategie dieser Kunstform erklärt sich  wohl zuvörderst aus ihrer Vielschichtigkeit. Als der Schrift verwandtes Medium kann sie kommunikativ sein und einem geneigten Publikum etwas mitteilen, sie kann überraschende Spiegelbilder fremder Wirklichkeiten zeigen und zugleich ein feines Handwerk sein, das ihren Schöpfer erfreut. Nicht zuletzt ist es ihr gegeben, direkt und frei Gefühlswelten zu vermitteln.

Die Musik – von Bachs Inventionen bis zu kubanischen Rhythmen – lässt in Karin Farben entstehen und sie setzt das Phänomen der Synästhesie in die Praxis um. Die Musik ist der Auslöser, das Auftragen der Temperafarbe auf die Leinwand das Vehikel für die Übertragung von Gefühlen.

Monets späte Seerosenbilder aus seinem Garten in Giverny klingen in meinen Ohren wie Musik, wie Sphärenklänge. Karins Bilder sind freilich abstrakter, sie malt ja nicht nur was sie sieht, sondern auch, was sie kennt und weiß, und seit Giverny ist in der Kunstgeschichte viel passiert, was ihr natürlich nicht entgangen ist. Und doch machen auch ihre Bilder Musik.

Die abstrakte Malerei (man kommt um diesen merkwürdig unstimmigen Begriff kaum herum) hat einen Hang zur Gestaltung der Bildoberfläche, denn man hat sich ja von jeglichem Illusionistischen oder Perspektivischen entfernt. Will man sich nicht im Dekorativen verlieren und doch den optischen Gegenstand Achtung zollen, kommen dem Maler die Draufsichten oder das Aufblicken zum Himmel entgegen. Schöne Beispiele dazu sind Karins Bilder, die auf dem Erlebnis von Anflug und Landung auf den Azoren beruhen, Ansporn zum Beginn einer Serie von Großformaten. Und dann richtet sie ihre Augen aber auch gern nach oben, wolkenwärts. Die Wolken, deren unerschöpliche  Formen- und Farbenwelt sich in ständiger Wanderung und Wandlung befinden, sind ihr Quelle der Inspiration, vielleicht noch verstärkt durch ihren Glauben an einen Gott, der dem allgemeinen Verständnis nach hinter den Wolken wohnt und verantwortlich ist für die Schönheit und Harmonie der Schöpfung.

Was ihre Bilder nicht repräsentieren sind eruptive, gewaltsame Gefühlsausbrüche, denn das ordnende Denken ist der gelernten Psychologin ein natürliches Anliegen.

Malen ist Denken in Farben, sagt sie an anderer Stelle.

Im Gespräch waren wir uns einig, dass es nichts Neues unter der Sonne gäbe. Wir, als malerische Erfinder, sind alle mehr oder weniger Nach-Schöpfer. Wir errichten auf dem was wir sehen, wissen und können unser eigenes Konstrukt, sind stets auch offen für Einflüsse, die  in unser Weltbild passen und unsere Bilderwelt bereichern.

Karin Bauer ist seit Kindheitstagen ihren künstlerischen Weg gegangen, hat immer gesucht und oft gefunden. Wir wissen aber diesbezüglich auch – seit Picasso – , dass Suchen und Finden keine Widersprüche sein müssen. Oder, dass Weg und Ziel eins werden können…

Reiner Schiestl

Akademischer Maler, Innsbruck